Auf einmal funkt’s

Gegen die Dillingen Diamonds drehen die Zweitliga-Basketballerinnen des ASC Mainz nach einer schwachen halben Stunde im letzten Viertel auf und das Spiel. Eine Umstellung in der Defensive verändert beim 58:56-Erfolg alles.

Mainz. Sie waren auf dem sicheren Weg zu einem offensiven Offenbarungseid. Nicht zum ersten Mal in dieser Saison, aber gegen einen der ungünstigsten Gegner, weil einen, den sie in der Tabelle auf Abstand halten sollten, um im Angriff nichts gebacken zu bekommen. Nach fünfeinhalb Minuten, beim Stand von 6:12, betrug die Trefferquote der Basketballerinnen des ASC Mainz im Spiel gegen die Dillingen Diamonds bei jämmerlichen zehn (in Zahlen: 10!) Prozent.

Sehr viel besser wurde es bis zur ersten Viertelpause nicht, und zu den vierzehn Punkten gesellten sich im zweiten Durchgang lediglich elf weitere. Andre Negrons Spielerinnen brachten rund um den Korb der Gäste in etwa das zustande, ihnen unter der Woche gegen eine US-amerikanische Militärauswahl ge- beziehungsweise misslungen war.

„Hör mir auf mit dem Test“, sagte später Amina Pinjic. Dass sie die abwehrende Geste zu dieser Aussage mit einem Lachen begleitete, das nicht mal gequält war, hatte seinen Grund im vierten Viertel der Zweitligapartie am Samstagnachmittag. In dem nämlich war es ihr und ihren Kolleginnen gelungen, den Schalter von jetzt auf gleich komplett umzulegen und einen Basketball zu spielen, der mit der vorherigen halben Stunde nicht viel mehr gemein hatte als das Spielgerät – was in einen nicht mehr für möglich gehaltenen 58:56 (38:49, 25:35, 14:20)-Sieg mündete.

Erst zögerlich, dann entschlossen

Wobei es mindestens einen in der Halle gab, der sich nicht unter die Nicht-mehr-für-möglich-gehalten-Fraktion subsumieren ließ: Andre Negron. „Als das Spiel begann“, antwortete der Trainer auf die Frage, von welchem Zeitpunkt an er an einen Sieg seiner Frauen geglaubt habe – und er erweckte nicht den Eindruck, zwischendurch daran gezweifelt zu haben. „Ich habe immer Vertrauen in meine Mannschaft, ich habe nur darauf gewartet, dass sie anfangen zu spielen.“

Das taten die Mainzerinnen sehr unvermittelt von der 31. Minute an. Wo sie eben noch lasch wirkten, stimmte plötzlich die Körperspannung, wo sie sich eben noch hatten abkochen lassen, traten sie jetzt aggressiv auf.

Für zwei Szenen, die diesen Wandel exemplarisch abbildete, stand Pinjic im dritten Viertel und gegen Ende des Spiels. Beide Male bekam sie den Ball rechts vor der Zone. Beim ersten Mal sackte sie regelrecht in sich zusammen, als erdrücke sie die Last der Verantwortung, die ihr die Passgeberin aufgebürdet hatte. Heraus kam: nichts. Beim zweiten Mal agierte sie entschlossen und gedankenschnell. Heraus kam: der Treffer zum 56:52.

Turnovers puschen

„Ich kann es auch nicht erklären, warum auf einmal alles anders war“, sagte Pinjic. „Ich glaube, das war ein Kopfding. Wir haben unsere Defense verändert und uns gesagt, dass wir besser sind als Dillingen. Und manchmal hilft auch ein Huddle, in dem wir uns mal gegenseitig anschnauzen.“

Auch Leonie Elbert und Andre Negron nannten als Grundlage des Umschwungs die Umstellung der Verteidigung auf eine 1-3-1-Zone. „Letztlich hat die das gesamte Spiel verändert“, sagte der Trainer. Angefangen damit, dass die Gäste dadurch überrumpelt wurde. „Die hatten keine Antwort darauf uns wussten nicht mehr, wohin sie im Eins-gegen-eins passen sollen“, sagte die Flügelspielerin. Elbert räumte ein, dass die Körpersprache der Spielerinnen auch in jeder anderen Defensevariante stimmen sollte. „Eigentlich schon, aber wenn eine solche Veränderung sofort wirkt und die Gegnerinne zwei, drei Turnovers hintereinander machen, puscht einen das schon.“

Freilich drängte sich die Frage auf, warum Negron das Mittel nicht früher ausgepackt hatte. Zwei Antworten: In der Vergangenheit habe das 1-3-1 nicht gut funktioniert, „deshalb haben wir es schon länger nicht mehr gespielt und auch nicht trainiert“, sagte Leonie Elbert. „Ich war überrascht, dass es trotzdem so gut geklappt hat.“

Aus guten Positionen schießen

Die Gefahr, viele Fouls gepfiffen zu bekommen, sei bei dieser aggressiven Verteidigung groß, erläuterte der Trainer, warum er bis nach der letzten Viertelpause wartete, um zu einem Mittel zu greifen, von dessen Wirksamkeit wahrscheinlich nur er selbst überzeugt war. „Aber Fouls konnten wir uns nicht leisten“, nicht bei der Achterrotation, auf die er sich beschränkte.

Negrons Plan ging auf. Knapp, „aber ob du mit einem oder mit hundert Punkte Unterschied gewinnst, ist egal“. Dass eine erfolgreiche Defensive auch die Offensive beflügeln kann, ist eine alte Weisheit, die in dieser Partie mal wieder eine Bestätigung erhielt. Aus dem 38:49-Rückstand nach dem dritten Durchgang machten die Mainzerinnen mit einem 16:0-Lauf eine 54:49-Führung. Hatten zuvor lediglich Kendra Landys Fastbreaks eine Erfolgsgarantie, wechselten die Schützinnen einander jetzt ab, und auch die Lagen variierten.

„Wir hatten während des gesamten Spiels gute Schüsse herausgespielt, sie sind nur nicht reingegangen“, betonte der Coach. Deshalb habe er seinen Frauen aufgetragen weiterzuschießen, nicht zu verzagen. „Wer eine gute Schussmöglichkeit bekommt, soll sie nutzen. Und niemand soll über Fehlwürfe nachdenken. Wenn sich solche Gedanken erst mal im Kopf festsetzen, verlierst du.“

Elbert: „Ich stand nur in der Ecke rum“

Dabei kompensierte das Team den Quasi-Ausfall seiner Topscorerin. Nicht, dass Leonie Elbert bei acht Punkten stehengeblieben war, weil sie viel verballert hätte – sie kam vielmehr kaum zum Abschluss. „Ich stand nur in der Ecke rum“, sagte sie. Die Dillingerin Romy Brück hatte sie über weite Strecken gefaced. „Die wusste gar nicht, wo der Ball ist, weil sie immer nur mich angeschaut. Und wenn du ständig so“ – an dieser Stelle breitete Elbert die Arme weit aus und riss die Augen auf – „verteidigt wirst und keine Hilfe bekommst, kannst du nichts machen.“

Beste ASC-Schützin war Alexandra Berry, die unterm Brett unglaublich rackerte, 18 Punkte erzielte und 17 Rebounds holte. Beste Schützin der Partie war Riley Popplewell mit herausragenden 37 Punkten. Doch auch sie war im letzten Viertel weitgehend kaltgestellt. 69 Sekunden vor Schluss erhöhte Amina Pinjic am Korb nach einem glänzenden Anspiel von Jordis Wächter auf 58:54. Eine halbe Minute später verkürzte Popplewell mit zwei Freiwürfen. Mehr passierte nicht mehr.

„Das ist Basketball“, sagte Andre Negron. „Manchmal braucht es nur einen Funken, um ein großes Feuer zu entfachen.“

Dieser Artikel erscheint mit freundlicher Unterstützung von SPORT AUS MAINZ.

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