So viel Tempo war noch nie

Ohne Atempausen rauf und runter geht es im Zweitligaspiel zwischen dem ASC Mainz und dem USC Heidelberg. Ein furioses erstes Viertel bildet die Grundlage für den 82:78-Sieg der Gastgeberinnen, die damit als Tabellenvierte in die Play-offs gehen.

Mainz. Dialog am Getränkestand: „Kann ich das Gleiche bekommen wie Dominique Liggins?“ – „Klar.“ Im nächsten Moment steht ein Becher Mineralwasser auf der Theke. Kaum zu glauben, dass dem Sportvorstand des ASC Mainz am Samstagabend ein paar Schluck Sprudel gereicht haben sollen, um abzugehen wie Schmidts Katze mit Zäpfchen.

Aber wahr: Liggins berauschte sich an der Performance der Zweitligabasketballerinnen gegen den USC Heidelberg. Er feierte sie für jeden Rebound, jeden Steal, jeden Treffer, er feuerte sie nach Ballverlusten und anderen missglückten Aktionen an. 40 Minuten lang. Bis der 82:78 (61:62, 43:36, 29:13)-Sieg im wohl temporeichsten Damenspiel, das je im Theresianum stattgefunden hat, feststand.

Mit diesem Erfolg gegen den Tabellenzweiten – schon die Hinrundenbegegnung hatten sie für sich entschieden – beendeten die Mainzerinnen die Hauptrunde auf dem vierten Rang der Südstaffel. Das beste Abschneiden einer ASC-Mannschaft seit 14 Jahren. „Das war für uns ein großer Ansporn“, sagte Hannah Krull nach der Partie. „Außerdem wollten wir mit einem guten Gefühl in die Play-offs gehen.“ Ein besseres hätten sie und ihre Mitspielerinnen sich kaum verschaffen können, bevor es im Achtelfinal-Hinspiel am nächsten Samstag (19 Uhr) ebenfalls im Theresianum gegen die TG Neuss geht.

Selbst überrascht

Von der Dynamik, die sich von Beginn an entwickelte, dem ständigen schnellen Rauf und Runter, zeigten sich die Mainzerinnen selbst überrascht. „Das Tempo war krass“, sagte Alina Kraus und nannte die begeistert mitgehenden Zuschauer auf der gut gefüllten Tribüne als einen motivierenden Faktor. Geplant hatten die Gastgeberinnen das freilich nicht. „Wir wollten unser Spiel spielen, aber Heidelberg puscht den Ball sehr, und wir haben uns davon anstecken lassen“, erläuterte Kapitänin Alina Dötsch.

Erstaunlicherweise kam der derart mitgerissene ASC damit zunächst weitaus besser zurecht als der USC, der am Samstag gerne noch den TSV Wasserburg an der Tabellenspitze abgelöst hätte (was freilich auch am Sieg des Spitzenreiters in Stuttgart gescheitert wäre), kein Hehl aus seinen Erstligaambitionen macht und zur nächsten Saison René Spandauw als hauptamtlichen Trainer verpflichtet hat. Der Niederländer, einer der renommiertesten Trainer im deutschen Damenbasketball, war Augenzeuge eines furiosen ersten Viertels, in dem den Mainzerinnen ihr erster Fehlwurf nach fünf Minuten beim Stand von 19:8 unterlief.

Und selbst dieser Angriff nach Kraus‘ Dreier an den Ring endete Sekunden später erfolgreich: Dötsch schnappte sich den Rebound, passte nach draußen, zurück auf Kraus, die sich inzwischen zentral postiert hatte und zum 22:8 traf.

Etwas nervös geworden

„Das war ein furioses erstes Viertel“, kommentierte Trainer Eric Marschke die Minuten, in denen Tatum Koenig souverän Regie führte, Hannah Krull durch die gegnerische Defense tanzte und einen sehr weiten Dreier zum 27:9 versenkte und Erin Antosh mit makelloser Quote aus dem Feld neun Punkte zum gewaltigen Vorsprung beisteuerte.

Daran anzuknüpfen vermochte der ASC im zweiten Durchgang allerdings nicht. „Es war ja klar, dass wir die hohe Trefferquote nicht über vier Viertel beibehalten würden“, sagte Alina Dötsch. Die Gäste verteidigten jetzt aggressiver, waren näher an den Leuten, stellten die Anspielstationen zu. „Wir sind etwas nervös geworden“, räumte Alina Kraus ein, „gegen Heidelberg ist es immer schwierig, weil die so wild sind und sehr hart spielen können.“

Trotzdem, befand der Coach, habe seine Mannschaft sich zu leicht aus der Ruhe bringen lassen. „Das ist sicher auch eine Frage der fehlenden Erfahrung, aber wir haben uns mit einigen dummen Aktionen und schlechten Pässen selbst in Bedrängnis gebracht.“ 14 Ballverluste in der ersten Halbzeit, davon neun im zweiten Viertel, seien definitiv zu viel. Und drei von elf Dreiern vor der Pause seien zu wenig. „Damit kann man hadern, dass die nicht gefallen sind, obwohl sie alle gut herausgespielt waren.“

Pass ans andere Ende des Feldes

Mitte des dritten Viertels geriet der ASC erstmals ins Hintertreffen, konterte beim Stand von 50:51 aber mit einem kuriosen Treffer: Die Gäste pressten zu fünf in der Mainzer Hälfte, Erin Antosh behauptete den Ball in Korbnähe und spielte, als sie sich etwas Freiraum verschafft hatte, einen Pass ans andere Ende des Feldes – dorthin hatte sich Verena Soltau unbemerkt geschlichen und verwertete das Zuspiel mit einem Korbleger.

Es war der einfachste Treffer der U-18-Nationalspielerin, die mit 24 Punkten und zehn Rebounds auftrumpfte, die sich ihren Bewacherinnen mit brillanten Moves entzog und sogar zwei Dreier traf. Mit ungewöhnlicher Wurftechnik zwar (Marschke: „Die Bälle waren ja fast an der Hallendecke“) aber sicher. Da hielt es auch Dreierspezialistin Kraus nicht für angebracht, irgendwelche Empfehlungen auszusprechen: „Zwei von zwei – besser geht’s nicht“, sagte sie.

Marschke benennt auch die Schwächen

Bei aller Begeisterung darüber, dass seine Frauen nach dem 52:56 (27.) nicht einbrachen, sondern den Rückstand noch vor der letzten Viertelpause auf einen verkürzten (Soltaus erster Dreier) und früh im Schlussviertel zum 64:64 ausglichen (Soltaus zweiter Dreier), verlor Marschke nicht aus den Augen, an welchen Stellen Verbesserungsbedarf bestand.

Zum Beispiel in der Eins-gegen-eins-Verteidigung: „Phasenweise hat die super funktioniert, und dann gab es Szenen, in denen wir viel zu passiv waren“, monierte er. Auch das Umschalten von Angriff auf Abwehr lief zu oft nicht nach Plan. Vor dem Spiel und in den Viertelpausen habe er immer wieder angemahnt, nach jeder eigenen Offensivaktion sofort nach hinten zu rennen, weil der USC sofort wieder Gas geben werde. „Trotzdem haben wir auf diese Weise bestimmt zehn Punkte zugelassen.“

Auch die je zwei Turnovers von Koenig und Krull in den letzten anderthalb Minuten schmerzten den Coach, wobei er die insgesamt acht Ballverluste seine Amerikanerin relativierte: „Die Hälfte davon ging auf die Mannschaftskolleginnen. Und Tatum hat 40 Minuten durchgepowert.“ In einer Partie, die keine Verschnaufpausen bot, in der die Gäste drei Sekunden vor Schluss auf 80:78 verkürzten, aber Alina Kraus mit zwei Freiwürfen alles klarmachte. Und an deren Ende Dominique Liggins zum Runterkommen zur Abwechslung ein Bier trank.

Dieser Artikel erscheint mit freundlicher Unterstützung von SPORT AUS MAINZ.