Momentum mori

Bis auf zwei Punkte nähern sich die Basketballerinnen des ASC Mainz den Rhein-Main Baskets in der Schlussphase des Zweitligaspiels an. Die 61:68-Niederlage geht vor allem auf die erste Halbzeit zurück.

Mainz. Im Grunde, sagte Alina Dötsch, sei es in der Schlussphase eines solchen Spiels ja ganz einfach: „Wenn man zwei Dreier trifft, ist man wieder dran, und mit dem nächsten würde man mit einem Punkt in Führung gehen. Aber wenn der nicht fällt sind es schnell wieder minus fünf.“ So in etwa lief es denn auch im Spiel der Zweiten Basketball-Bundesliga zwischen dem ASC Mainz und den Rhein-Main Baskets. „Dann ist das Momentum wieder beim Gegner.“

Von elf Punkten Rückstand hatten sich die Gastgeberinnen herangekämpft, Maura Fitzpatrick mit ihrem vierten und Eden Nibbelink mit ihrem ersten Dreier verkürzten auf 59:61, die Mainzerinnen schienen im Flow und die Gäste beeindruckt. Doch dann ging es weiter, wie von Dötsch beschrieben: Nibbelinks nächster Versuch aus der Distanz verfehlte das Ziel, auf der anderen Seite verwandelte Svenja Greunke zwei Freiwürfe, Kendra Landy verkürzte nach Ballgewinn an der Mittellinie und Fastbreak noch einmal.

Als dann aber Mailien Rolf per Dreier auf 61:66 erhöhte, war dies quasi das „Momentum mori“ – der Augenblick, in dem der ASC das Spiel verlor. Auch wenn noch 75 Sekunden auf der Uhr standen.

Gut vorbereitete Gäste

Die eigentlichen Ursachen für die 61:68 (48:59, 28:37, 13:19)-Niederlage waren allerdings nicht in den letzten anderthalb Minuten, sondern vor der Pause zu suchen. „Das stimmt“, sagte Trainer Aron Duracak, „wenn wir gewinnen, redet niemand über unsere schlechte erste Halbzeit.“ So aber wurde sie zwangsläufig zum Thema.

Nach viereinhalb Minuten lagen die Mainzerinnen mit 6:15 zurück, und besser wurde es lange Zeit nicht. „Die Gegnerinnen waren sehr gut auf uns vorbereitet“, erkannte Duracak an. „Sie haben aggressiv gespielt und uns unsere Plays weggenommen.“ Nibbelink beispielsweise nahmen die Gäste weitgehend aus dem Spiel, sofern die US-Amerikanerin das nicht selbst tat. Sechsmal visierte sie im ersten Viertel den Korb an, sechsmal traf sie nicht. „Und danach war sie gehemmt“, sagte Duracak, „sie wollte gar nicht mehr werfen.“

Am Ende brachte Nibbelink es bei zwölf Schüssen aus dem Feld auf genau einen Treffer – den Dreier in der Schlussphase. Machte inklusive ihrer Freiwürfe sieben Punkte. Ein zu geringer Output der Topscorerin mit einem Schnitt von bisher fast 19 Punkten, den die Kolleginnen nicht mehr auffangen konnten. Obschon Maura Fitzpatrick und insbesondere Kendra Landy gut performten. Die Spielmacherin bot nicht nur wegen ihrer 21 Punkte und zahlreicher Ballgewinne ihre stärkste Saisonleistung, sie war auch beste Mainzerin in diesem Duell.

Keine Kommunikatorin wie Greunke

Ein Problem vermochte aber auch sie nicht zu beheben: „Wir sind sehr schlecht im Kommunizieren“, hielt Duracak fest. „Das habe ich schon öfter angesprochen, und das wurde heute wieder deutlich.“ Dieses Manko führte zu oft dazu, dass seine Akteurinnen bei einzelnen Spielzügen an den falschen Positionen oder einander gar im Weg standen, was phasenweise ein wildes Geknäule nach sich zog.

„Wir haben eben keine Kommunikatorin wie Svenja Greunke, die alle Mitspielerinnen führt und ihnen sagt, wo sie hinmüssen“, bedauerte der ASC-Trainer. Als Vorwurf war das nicht gemeint. Eine solche Rolle ausüben zu können, habe mit Erfahrung und Persönlichkeitsstruktur zu tun, die sich mit der Zeit entwickeln müsse – und die 33 Jahre alte ehemalige Erstliga- und Nationalspielerin bewegt sich in dieser Hinsicht nun mal auf einem anderen Level.

Nicht nur in dieser Hinsicht, wie Alina Dötsch feststellen musste. Sie war leicht gehandicapt ins Spiel gegangen, am Abend zuvor hatte sie sich im Regionalligaspiel der Zweiten Mannschaft gegen die TSG Wieseck eine Oberschenkelzerrung zugezogen. Das machte den ohnehin schwierigen Job gegen die beste RMB-Akteurin umso schwieriger. „Wenn eine Spielerin einen solchen körperlichen Vorteil hat und dazu auch noch schlau ist, wird es für die Gegenspielerin sehr schwer“, sagte die 23-Jährige. „Ich habe probiert, dagegenzuhalten, aber auch mit Physis lässt sich nicht so viel ausrichten.“

Hinterherschauen macht Duracak sauer

Wobei Dötsch sich den einen oder anderen Pfiff mehr gegen Greunke gewünscht hätte. „Wenn sie in der Offense war, hätte man einige Male abpfeifen können, weil sie jedesmal nach hinten herumgreift. Und ihre Ellbogen sind oft auf einer Höhe, auf der sie nichts zu suchen haben. Aber wegen ihr haben wir nicht verloren.“

Die Schuld dafür suchte und fand auch Dötsch beim eigenen Team. „Wir haben keine gute erste Halbzeit gespielt“, sagte sie. „Im letzten Viertel haben wir solide verteidigt, aber gegen ein Team auf Augenhöhe reicht das nicht.“

Nicht nur gegen Ende der Partie, auch im dritten Durchgang gab es eine Phase, in der die Mainzerinnen ihren Rückstand sukzessive verringerten und bis auf 45:49 herankamen. Dann riss der Faden wieder. Dass Charlotte Kriebel in dieser frustrierenden Situation einen Ball im Aufbau an der Mittellinie verlor, nahm der Coach ihr nicht übel – wohl aber, dass sie Anna Mihaleszko nur hinterherschaute, wie die das 45:54 erzielte. „Ich war nur sauer, weil Charly nicht zurückgerannt ist“, sagte Duracak. Seinem Unmut machte er in der unmittelbar angezeigten Auszeit Luft, von einem Lerneffekt beim jüngsten Kadermitglied ist auszugehen.

Auf Play-off-Platz in die Pause

So unbefriedigend das letzte Hinrundenspiel auch verlaufen war, so zufrieden zeigte sich Duracak mit der Bilanz der ersten Halbserie. „Wir haben bewiesen, dass wir guten Basketball spielen können und gehen mit einer positiven Bilanz in die Weihnachtspause.“ Sechs von elf Spielen hat der ASC gewonnen, als Tabellensechster steht das Team punktgleich mit den Konkurrenten vom dritten bis zum siebten Rang auf einem Play-off-Platz da, vier Zähler vor den Abstiegsrundenrängen.

„Anfangs hatte ich das Gefühl, wir würden nicht ernstgenommen, aber das ist nicht mehr so“, sagte Duracak. „Die Gegner stellen sich inzwischen deutlich besser auf uns ein.“ Das bedeute allerdings nicht, dass er sich mit seinen Frauen bis zum Rückrundenbeginn am 6. Januar neue Dinge einfallen lassen müsse, um die Gegner wieder zu überraschen. „Wir müssen Kleinigkeiten verbessern, zum Beispiel Mismatches besser ausnutzen.“

Daran kann der Kader schon in dieser Woche arbeiten, am Wochenende findet die Weihnachtsfeier statt, und Montag in acht Tagen brechen die drei Amerikanerinnen in den Heimaturlaub auf. Der endet allerdings noch in diesem Jahr – am 28. Dezember beginnt das Training wieder.

Dieser Artikel erscheint mit freundlicher Unterstützung von SPORT AUS MAINZ.