Dicke Lippe riskiert

verfasst von mainz@dbbl.de

Nicht gut, aber wertvoll: Trotz einiger Mängel erkämpfen sich die Zweitligabasketballerinnen des ASC Mainz mit dem 53:41 gegen die KuSG Leimen am fünften Spieltag ihren ersten Saisonsieg.

Mainz. Drei Minuten waren noch zu spielen, als jemand die Tür am Zuschauereingang aufriss. Herein und die Treppe hinunter stürmte Hannah Krull, als wollte sie direkt aufs Spielfeld durchstarten, das Trikot trug sie ja bereits. „Am liebsten hätte ich das gemacht“, bestätigte sie später, „allerdings wäre das nicht so schlau gewesen.“

Schließlich kam sie gerade aus dem Krankenhaus – nach einem Ellbogenschlag auf den Mund hatte ihr Vater Michael sie in der Halbzeit hingefahren und dort die aufgeplatzte Lippe mit drei Stichen genäht. „Als die Kollegen erfahren haben, dass ich Zahnarzt bin, durfte ich selbst ran“, erzählte er. Und nach getaner Naht ging’s flugs zurück ins Theresianum, wo Vater und Tochter noch die entscheidende Phase des ersten Saisonsiegs der ASC-Basketballerinnen sahen.

„Bombastisch“, kommentierte Hannah Krull das 53:41 (35:34, 20:24, 7:12) gegen die KuSG Leimen; verlassen hatte sie die Halle beim Stand von 20:24. „Ich bin froh, dass ich das noch mitbekommen habe.“

Beinahe ein Flow

Die Flügelspielerin wurde Augenzeugin der besten Minuten ihres Teams, die getreu dem Motto „Wenn’s läuft, läuft’s“ zu stehen schienen. 90 Sekunden vor Schluss habe er noch gebangt und befürchtet, die Sache könne noch schiefgehen, sagte Sportvorstand Dominique Liggins. Doch beim Stand von 47:41 vergab die Leimenerin Marie Klähn zwei Freiwürfe, im Gegenzug traf Alina Kraus einen Dreier, und als hätten sie sich plötzlich in einen Flow gespielt, tat Jordan Rabe es ihr etwas später gleich.

„Ich glaube, da sind sehr vielen Leuten sehr viele Steine vom Herzen gefallen“, sagte Liggins. „Das war ein unglaublich wichtiger Sieg.“ Dass die 40 Spielminuten noch sehr viel Optimierungsbedarf hatten erkennen lassen, dass der ASC die Partie auch deshalb in die eigene Richtung biegen konnte, weil die Gäste sich allein in der zweiten Halbzeit 13 Turnovers leisteten („Auch das gehört zur Wahrheit“), war in diesem Moment nebensächlich. „In unserer Situation, nach vier Niederlagen an den ersten vier Spieltagen, zählen nur Siege und Punkte.“

Zehnprozentige Quote

Conrad Jackson machte einen deutlich gelasseneren Eindruck. „Das war ein weiterer Schritt in dem Prozess, in dem wir uns befinden“, sagte der Trainer. „Ich bin stolz auf die Mannschaft, weil sie für diesen Erfolg sehr hart gearbeitet hat. Sie merkt, dass wir wachsen. Und wir werden weiter Schritt für Schritt für Schritt gehen.“

Wie viele solcher Schritte noch nötig sind, zeigte sich insbesondere in der ersten Halbzeit. Defensiv arbeiteten die Mainzerinnen ordentlich, offensiv bekamen sie kaum etwas auf die Reihe. Charlotte Kriebel verbuchte aus der Mitteldistanz den einzigen Zwei-Punkte-Treffer binnen 20 Minuten, neun Schüsse der Kolleginnen verfehlten das Ziel.

„Das ist nicht die Quote, die wir brauchen, um Spiele zu gewinnen“, räumte Libby Epoch ein. Die Spielmacherin selbst blieb bei ihren Abschlüssen glücklos, steckte allerdings sehr viel Energie in den Ballvortrag und zog insgesamt sechs Fouls. „Libby bringt den Ball sensationell, um die Würfe zu nehmen, fehlt ihr dann leider die Kraft“, bedauerte Liggins.

Technische und taktische Defizite

Symptomatisch für die technischen Fehler war die letzte Aktion im ersten Viertel: Epoch passte auf die in der rechten Ecke stehende Rabe, die machte einen Schritt zum Korb, nahm unter Zeitdruck den Schuss, traf – doch wegen eines Schrittfehlers zählte der Treffer nicht. Immerhin: Wenngleich sie schwer ins Spiel fand, standen am Ende 17 Punkte auf dem Konto der US-Amerikanerin. Drei von fünf Zweiern und drei von acht Dreiern stellten noch keine überragende Ausbeute dar, ließen aber eine Aufwärtstendenz erkennen.

Als Hausaufgabe in taktischer Hinsicht konnte Jackson mitnehmen, am Verhalten gegen eine Zonenpresse zu arbeiten. Die setzten die Leimener im zweiten Viertel ein – und die ASC-Frauen gruppierten sich mehr oder weniger drumherum. Auf die Idee, die gut 15 Quadratmeter große freie Fläche innerhalb des Verteidigungsrings zu besetzen und von dort den Korb zu attackieren, kamen sie nicht. Sie hätten sich das Leben leichter machen können.

40 Minuten lang hart gearbeitet

„Es war kein gutes Spiel, aber wir haben uns den Sieg verdient, weil wir 40 Minuten lang hart gearbeitet haben“, konstatierte Epoch. In der Tat konnte man ihr und ihren Mitspielerinnen in kämpferischer Hinsicht keinen Vorwurf machen, bei allen anderweitigen Mängeln gaben sie doch keinen Ball verloren; dafür riskierten sie sogar eine dicke Lippe.

Mitte des dritten Viertels brachte Alina Dötsch, bei einem Ballgewinn gefoult, die Gastgeberinnen mit zwei Freiwürfen erstmals nach längerer Zeit wieder in Führung (29:28), den Vorsprung dauerhaft zu behaupten, „trugen auch die Bankspielerinnen bei“, wie Dominique Liggins hervorhob. Fanny Frühauff traf einen ihrer beiden Dreier zum 38:34, Tanja Lehnert sorgte zu Beginn des letzten Durchgangs am Korb und mit Freiwürfen für vier Punkte.

Die vorentscheidende Aktion gelang Jordan Rabe, indem sie nach einem Kraus-Schuss den Rebound holte, den Korbleger verwandelte, gefoult wurde und von der Linie auf 47:41 erhöhte. „Anschließend haben wir alle Leimener Angriffe gestoppt und selbst noch zweimal getroffen“, sagte Conrad Jackson. „Das ist unser Motto: ,stop – score – stop‘.“

Dieser Artikel erscheint mit freundlicher Unterstützung von SPORT AUS MAINZ.