Biss bis zum Schluss
Eine herausragende Hannah Krull, eine Topscorerin Jordan Rabe, eine ihren Geburtstag krönende Alina Dötsch: Mit 71:45 bezwingt Basketball-Zweitligist ASC Mainz den TSV München-Ost.
Mainz. Eventuell geplante Freudensprünge konnte Alina Dötsch sich sparen. Zwar hatte sie sich kurz vor dem Ende der Partie gegen den TSV München-Ost per Dreier in die Zweistelligkeit geschossen und dank der ebenfalls zehn Rebounds ihren Geburtstag mit einem Double-Double gekrönt. Doch den Rest erledigten ihre Mitspielerinnen – nachdem die Halle der jetzt 25-Jährigen ein Ständchen gesungen hatte, schnappten sich einige Kolleginnen die Kapitänin und warfen sie ein paar Mal in die Luft.
Nicht allzu hoch allerdings, immerhin hatten sie ein Zweitligaspiel in den Armen. Außerdem sollte kein Unglück passieren, schließlich können die Basketballerinnen des ASC Mainz auch in den nächsten Wochen nicht auf Dötsch verzichten. Denn, wie Sportvorstand Dominique Liggins formulierte, was vermutlich alle dachten: „Heute sind wir sehr happy. Aber wir müssen dranbleiben.“
Mit dem 71:45 (51:32, 33:28, 20:15) gegen den Tabellenletzten „ist mein größter Wunsch für heute wahrgeworden“, sagte Alina Dötsch. „Dieses Spiel wollten und mussten wir unbedingt gewinnen. Und in der Offensive hat man unsere Fortschritte deutlich gesehen“ – zum zweiten Mal hintereinander und zum zweiten Mal in dieser Saison betrug die Ausbeute mehr als 70 Punkte. Eine Woche zuvor waren 79 Zähler in Stuttgart noch vier zu wenig für einen Sieg. „Aber diesmal haben wir besser verteidigt.“
Jackson: Der nächste Step
Bei aller Begeisterung und Erleichterung gingen Mannschaft und Trainer bemerkenswert selbstkritisch mit der Performance um. „Die Münchener Offense ist, wenn man sich die Ergebnisse anschaut, kein Maßstab“, sagte Dötsch. „Wir hatten eine neue Defense eingeübt, die sitzt noch nicht richtig. Gegen andere Mannschaften können die Fehler, die uns noch passiert sind, teuer werden.“
„Wir haben noch eine Menge Arbeit vor uns“, bestätigte Conrad Jackson, der gleichzeitig darauf verwies, dass er seit Saisonbeginn (und schon vorher) um Geduld für den Entwicklungsprozess gebeten habe, den das Team durchlaufen müsse. „In Stuttgart haben wir einen Schritt nach vorne gemacht, da haben uns Kleinigkeiten zum Sieg gefehlt. Heute war es der nächste Step, und weitere werden folgen.“
Zu knappe Halbzeitführung
„Wenn man meckern wollte“ – aber wer wollte das schon nach dem mit Beginn der zweiten Halbzeit doch ungefährdeten Erfolg? –, „dann nur, weil München so lange haben leben lassen“, merkte Liggins an. Das war jedoch kein spielerisches Problem und auch keines der Defense, sondern der Trefferquote.
Das Angriffsspiel des ASC funktionierte über weite Strecken wie aus einem Guss, mit Tempo und klug herausgespielten Abschlüssen – der Ertrag fiel in der Relation viel zu gering aus. „Da waren locker zehn, fünfzehn Punkte mehr drin“, sagte Liggins, ohne zu übertreiben. Die fünf Punkte Differenz zur Pause spiegelten den Leistungsunterschied völlig unzureichend wider, doch dass beispielsweise Alina Kraus bis dahin nur einen ihrer neun Dreier getroffen hatte, lieferte eine Erklärung. Am Ende kam sie aus der Distanz auf drei Treffer und insgesamt 15 Punkte.
„Damit ist sie nicht zufrieden“, berichtete Jackson nach einem ersten Gespräch mit dem Team. „Wir wissen alle, dass sie höher scoren kann, aber dafür hat sie heute besser verteidigt als in den vorherigen Spielen.“ Obendrein steuerte Kraus sechs Assists bei. Und sie bewies Biss bis zum Schluss: 61 Sekunden vor dem Ende verfolgte sie eine Gegenspielerin bei deren Fastbreak und blockte den Schuss.
Krull dreht auf
Topscorerin war erneut Jordan Rabe, diesmal mit 26 Punkten bei fünf von elf Dreiern, nachdem sie sich anfangs ebenfalls schwergetan hatte, ihre Abschlüsse von jenseits der Linie im Korb unterzubringen. „Sie hat ans Stuttgart-Spiel angeknüpft“, konstatierte Dominique Liggins und räumte ein, er habe Bedenken gehabt, dass der US-Amerikanerin dies gelingen würde. „Nachdem sie erstmals richtig hoch gescored hatte, kam die zweiwöchige Ligapause eigentlich zur Unzeit. Aber Jordan hat ihren Rhythmus wiedergefunden.“
Zur inoffiziellen „Woman of the match“ avancierte freilich eine andere Akteurin: Hannah Krull drehte in den 27 Minuten, die sie auf dem Feld stand (wobei die Formulierung es nicht trifft, weil Krull permanent wirbelte und wuselte), auf wie in noch keiner Zweitligabegegnung für den ASC.
Nach viereinhalb Minuten eingewechselt, als es gerade hektisch wurde, führte sie sich beim Stand von 7:11 mit einem Block gegen Jana Schauff ein. Es folgten in der Defense etliche Steals, dynamische Ballvorträge, Fastbreaks, neun Rebounds. Und Krull war an allen Ecken und Enden zu finden.
Klara Schürers Ligadebüt
„Ein sensationeller Auftritt“, schwärmte Sportvorstand Liggins, „Hannah hat eine unfassbare Energie ins Spiel gebracht.“ Auch das gehöre zum Prozess, merkte Conrad Jackson an. Weil Charlotte Kriebel krankheitsbedingt ausfiel, habe Krull erstmals als Back-up für Spielmacherin Libby Epoch fungiert. „Und sie hat uns genau das gegeben, was wir gebraucht haben. Sie hat toll verteidigt und war selbst kaum zu stoppen.“
Maßgeblich beteiligte sich die 21-Jährige daran, das Resultat noch im ersten Viertel zu ASC-Gunsten zu drehen und die Führung im zweiten Durchgang zu halten. Zum 29:20 gelang ihr zudem einer der schönsten Treffer der Partie: nach einem sprunggewaltigen Offensivrebound beförderte sie den Ball aus dem Lauf mit leichter Vorlage und mit dem Rücken zum Brett in den Korb.
Schöner Nebeneffekt des souveränen Mainzer Auftritts nach der Pause: Klara Schürer kam zu ihrem ersten Zweitligaeinsatz und durfte achteinhalb Minuten mitmischen. Mit 15 Jahren ist sie in einem Alter, in dem sich Alina Dötsch einst auf den Weg machte, zum Dauerbrenner des ASC zu werden. „Wenn sie eines Tages mal aufhört, Basketball zu spielen“, sagte Dominique Liggins, „sollten wir ein großes Trikot mit der Nummer sieben unter die Hallendecke hängen.“
Dieser Artikel erscheint mit freundlicher Unterstützung von SPORT AUS MAINZ.